Johann „Rukeli“ Trollmann

Held und Symbolfigur des Roma- und Sinti- Widerstands gegen die Nazis

Der erschlagene Boxer

Im Alter von acht Jahren beginnt Johann mit dem Boxen. Er merkt, dass er das besser kann als die anderen. Von den anderen Boxern wird er anerkannt. Jeder weiß, dass er ein Sinto ist.

Nicht alles, was Rukeli im Ring macht, gefällt seinem Trainer, seine Titel mögen sie. Von 1925 bis 1928 ist Rukeli Hannoverscher Meister der Amateure. Eine lokale Berühmtheit.

Rukeli macht keine Berufsausbildung, er ist sicher, dass er mit Boxen seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Für die Olympischen Spiele 1928 in Amsterdam wird er nicht nominiert, obwohl er der beste Amateur-Mittelgewichtler Deutschlands ist. Rukeli ist erfolgreich, das Publikum feiert ihn, er verdient bis zu 2.500 Reichsmark pro Kampf. Er boxt in Hamburg in der Flora, im Ruhrgebiet, in Berlin, in Hannover, Am 30. Januar 1933 wird Adolf Hitler Reichskanzler.

Nun ist ein Titel vakant. Als Kandidaten werden zugelassen: Adolf Witt (Kiel), Helmut Hartkopp (Berlin) und Trollmann. Witt boxt unentschieden gegen Hartkopp und soll dann verhindern, dass der „Zigeuner“ Deutscher Meister wird. Der einzige Titelkampf Trollmanns findet am 9. Juni 1933 in der Bockbierbrauerei in der Fidicinstraße am Tempelhofer Berg in Berlin statt.

Er endet in einem Tumult. Trotz klarer Überlegenheit Trollmanns lautet das Urteil des Ringrichters Otto Griese nach zwölf Runden: ohne Entscheidung. Der Sportausschuss tagt. Englert und Breitensträter überstimmen Radamm, ein Blick auf die Punktzettel genügt. Trollmann wird zum Sieger und Meister erklärt und bekommt den Lorbeerkranz umgehängt. Der Titel wird ihm eine Woche nach dem Kampf unter fadenscheinigen Gründen aberkannt.*

Als „Weisser“ verlieren

Die Ideologie der Nationalsozialisten kann die Überlegenheit eines „nicht-arischen“ Sportlers nicht akzeptieren. Der für den 21. Juli 1933 angesetzte Wiederholungskampf gegen den Weltergewichtler Gustav Eder wird zu einem „erzwungenen Abschied“ – und zur Farce. Trollmann wird vom Verband untersagt, in seinem gewohnt tänzelnden, leichtfüßigen Stil zu boxen. Angesichts der Ausweglosigkeit der Situation steigt er mit blondierten Haaren und weiß gepudertem Körper in den Ring. Breitbeinig stellt er sich den Schlägen Eders. In der fünften Runde bricht er zusammen.

Seine Karriere als Berufsboxer ist beendet. Stigmatisiert und entrechtet, verliert er schrittweise seine Existenzgrundlage, wird 1938 verhaftet und später zur Wehrmacht eingezogen.*

Vom Menschen zur Nummer

9841 – vier Ziffern besiegeln im Jahr 1942 endgültig den Untergang von Johann Trollman. Es ist die Häftlingsnummer, die er nach seiner Verschleppung im KZ Neuengamme erhält. 1944 wird er im KZ Wittenberge ermordet.*

Anfang September 1942 wurde er ins KZ Neuengamme eingeliefert, wo er schwerste Arbeiten verrichten musste. Berichten zufolge begannen SS-Männer ein grausames Spiel: Wenn sie sich langweilten, zogen sie Johann Trollmann Boxhandschuhe an, krempelten ihre Ärmel hoch und forderten ihn auf: »Los Zigeuner, wehr dich!« Wer gerade Lust hatte, prügelte auf den erschöpften und ausgemergelten Mann ein. Damit dieses »Spiel« möglichst lange dauern konnte, habe er für jeden erlittenen K.O. eine Extraration Lebensmittel erhalten. Laut Eintragung im Totenbuch starb Johann Trollmann fünf Monate nach seiner Ankunft im KZ Neuengamme am 9. Februar 1943. Anderen Angaben zufolge wurde er jedoch vermutlich unter falschem Namen ins Außenlager Wittenberge überstellt, wo ein Kapo [ein Häftling, der mit der Lagerleitung zusammenarbeitete und Aufsichtsaufgaben hatte] ihn 1944 aus Rache für einen verlorenen Boxkampf, zu dem er Trollmann herausgefordert hatte, erschlagen haben soll.*

2003 Nachkommen erhalten Gürtel

Im Dezember 2003 bekommen Rukelis Nachfahren Ferdinand und Manuel Trollmann vom Bund Deutscher Berufsboxer einen Meistergürtel und Johann Trollmann wird – wenn auch widerwillig – als Deutscher Meister der Profis im Halbschwergewicht 1933 anerkannt.*

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